Neue Regelungen bei Ausfall der Sicherheitseinrichtung auf Zügen

Nach dem Unfall von Zollikofen BE vom 2. Juni 2022, bei welchem nur dank dem Umstand, dass keine Reise- oder Gefahrengutzüge involviert waren, eine grosse Katastrophe ausblieb, waren Verschärfungen der Vorschriften angezeigt (siehe VSLF NL Nr. 723 vom 15. August 2022).

Die Bahnen haben nun ihre Vorschriften bezüglich des Ausfalls von Sicherheitseinrichtungen auf den Zügen mit unterschiedlicher Vorgehensweise und Geschwindigkeit überarbeitet.

Nachdem die BLS schnell und konsequent gehandelt hat, verweist die SBB erst viel später auf die Grundvorschriften des BAV. Der Unfall von Zollikofen hat offenbar die Problematik der bisherigen Vorschriften noch zu wenig aufgezeigt. Anstelle einer Harmonisierung der Vorschriften zur Beherrschung der Prozesse stellt sich das aktuelle Vorgehen bei Ausfällen von Sicherheitseinrichtungen nun als noch inkonsequenter und unlogischer dar, was der Sicherheit abträglich ist.

BLS

Als direkt vom Unfall betroffene Bahn hat die BLS kurz danach umgehend ihre Vorschriften massiv verschärft. Neu gilt bei BLS Personenverkehr und BLS Cargo grundsätzlich, dass bei ausgeschalteter Zugbeeinflussung ein zweiter streckenkundiger Lokführer als Begleitperson notwendig ist. Zusätzlich wird die erlaubte Geschwindigkeit ohne Ausnahme auf 80 km/h beschränkt. Ohne diese zusätzliche Begleitperson darf nur noch mit 40 km/h bis zum nächsten Lokpersonalstandort oder zur nächsten Instandhaltungsanlage gefahren werden. Die Abfahrt ab einem Lokpersonalstandort ist nur noch mit Begleitperson erlaubt, ab einer Instandhaltungsanlage überhaupt nicht mehr.

Mit diesem Vorgehen hat die BLS schweizweit die mit Abstand strengste Regelung. Leider ist aber auch dieses Vorgehen nicht auf alle Bahnen auf gleichem Sicherheitsniveau übertragbar, besonders wenn die Personalstandorte weit auseinanderliegen.

SBB

Die SBB hat ihre Vorschriften erst gut sechs Monate später auf den Fahrplanwechsel angepasst; unterschieden nach Division und ohne eine merkliche Verschärfungen.

SBB Cargo

Bei SBB Cargo darf beim Ausfall der Zugbeeinflussung nach einem Reset, sofern nicht erfolgreich, nur noch bis zu einem Lokpersonalstandort gefahren werden. «Steht kein Lokführer zur Verfügung und wird durch die Wartezeit der Betriebsablauf gestört, darf höchstens bis zum Endbahnhof des Zuges gefahren werden».

Wie dann ab dem Endbahnhof weiterverfahren werden soll, ist widersprüchlich formuliert und nicht eindeutig. Die Einschränkung auf 80 km/h führt im Güterverkehr zu keinen grossen betrieblichen Behinderungen, was die Versuchung erhöht, defekte Fahrzeuge länger als notwendig fahren zu lassen.

SBB Personenverkehr / SOB / Thurbo

Die Betriebsvorschriften SBB Verkehr verweisen einzig auf die Grundvorschriften der Fahrdienstverschriften des BAV. «Versagt die Zugbeeinflussung, hat der Lokführer bei der ersten Gelegenheit einen zusätzlichen Lokführer anzufordern. Solange kein zusätzlicher Lokführer anwesend ist, darf mit höchstens 80 km/h gefahren werden und das Fahrzeug höchstens 12 Stunden verkehren.» Somit darf mit einem zweiten Lokführer weiterhin mit vMax gefahren werden. Auch SOB und Thurbo unterliegen dieser Regelung.

Haltung des Vorstands VSLF

Ein Ausfall der Sicherheitseinrichtungen bedeutet, dass die Fahrt des Zuges nicht von aussen mehr gestoppt werden kann, auch nicht im Gefahrenfall. Dass notwendige Einschränkungen und Verbote für Zugfahrten nicht einheitlich, einfach und logisch geregelt werden, ist in sich nicht schlüssig, da dieselben Infrastrukturen und Infrastrukturbetreiber betroffen sind.

Das BAV als Aufsichtsbehörde ist in der Pflicht, einheitliche, netz- und bahnübergreifende Vorgaben zu erlassen, welche die Risiken authentisch abbilden und für die notwendige Sicherheit sorgen. Da sich die Sicherheits- und Qualitätsabteilungen der jeweiligen Bahnen offenbar nicht dazu im Stande sehen, ist von EVU-spezifischen Regelungen Abstand zu nehmen.

Wir empfehlen dem Lokpersonal, sich an ihre gültigen Vorgaben zu halten und keine unnötigen Risiken einzugehen. Die Sicherheit hat in jedem Fall Vorrang. Im Zweifelsfall sind Abklärungen mit den zuständigen oder unterstützenden Stellen sinnvoll. Fehlendes Lokpersonal an Personalstandorten ist kein Argument für eine Weiterfahrt. Die Sicherheit für die Kunden hat höchste Priorität. Bei Konflikten bitten wir um Unterrichtung oder bieten Unterstützung an.

VSLF, Nr. 751, 22. Dezember 2022 KM