Spürbare Auswirkungen des Lokpersonalmangels

Die Signale der Bahnen sind unterschiedlich. Einerseits wird beteuert, dass Lokführerklassen problemlos mit Kandidaten gefüllt werden können und der Personalbestand für die täglichen Leistungen ausreichend sind. Und andererseits werden täglich verzweifelt Lokführer gesucht, um die Leistungen abzudecken.

Entweder kennt man die realen Zahlen nicht, oder sie sind bekannt und man verweigert sich mit Schönwetterparolen der bitteren Realität.

Bei der BLS und SBB Personenverkehr versucht man den Unterbestand an Lokpersonal mit Prämien für Zusatzleistungen abzufedern. Ob diese Massnahme über längere Zeit erfolgversprechend sein wird ist mehr als fraglich, da die zusätzliche Belastung nicht mit Geld kompensiert werden kann. Wenn Kollegen/innen bis zu 14 Tage am Stück im unregelmässigen Dienst arbeiten, stellt sich bei Fehlhandlungen die Frage der Verantwortlichkeit. Der VSLF ist vorbereitet.

So ist in Brig die Personalsituation bei SBB Cargo derart gravierend, dass trotz Massnahmen in Zusammenarbeit mit SBB Cargo International viele Leistungen nicht mehr gefahren werden können. Neuerdings steht sogar die Güterzustellung zu den Lonza-Werken in Visp in Frage.

Neben dem Ausfall von Zügen in Personenverkehr, die von der Öffentlichkeit direkt wahrgenommen werden können, sind viele Zugsausfälle bei den Güterbahnen nicht offensichtlich. Eine Verlagerungspolitik des Güterverkehrs mit leeren Führerständen kann nicht funktionieren.

 

Für das Personal in der Planung ist ein Arbeiten mit so grossem Personalmangel eine massive Belastung. Bereits sind erste Kollegen/innen mit eindeutigem Burnout-Symptom ausgefallen und mussten z. T. mit der Ambulanz aus dem Arbeitsplatz geholt werden. Eine Erleichterung ist nicht in Sicht, was vermehrte Ausfälle an Planern und Einteilern erwarten lässt. Jeden Tag verschwindet so ein bisschen mehr Bahn-Knowhow und damit die Substanz, die unseren Bahnbetrieb momentan trotz allem noch am Laufen hält. Dasselbe gilt für das Personal in der Lokleitung, wo ein ebenso grosser Mangel vorherrscht.

Verantwortung

Diese Personalsituation haben die Bahnen in alleiniger Verantwortung verursacht und sie steht nicht in Zusammenhang mit dem planbaren massiven Mehrverkehr und der wirtschaftlichen Situation.

So wird die Aufgabe zukünftiger Führungskräfte darin bestehen, Personal dort abzubauen wo es nicht notwendig ist und dort aufzubauen, wo es zur Aufrechterhaltung des Betriebes dient. Die Notwendigkeit des Handelns ist in beiden Bereichen immens.

Dass die gesamte Eisenbahn ein sehr langwieriges Geschäft ist, das mit kluger Voraussicht geführt werden muss scheint im Digitalisierungsnebel untergegangen zu sein. So hat die BLS heute bekanntgebenen, dass sie um bei Betriebsstörungen rasch genug reagieren zu können auf die die Einführung eines neuen Ressourcenplanungssystems verzichtet, zum Preis von 20 – 23 Mio. Fr.

Lösungen

Das Potential interner Kandidaten für die Lokführerausbildung wäre konsequent auszuschöpfen. Dass optimal ausgebildetes und somit flexibel einsetzbares Personal die Grundlage bildet für den produktiven Einsatz, scheint nicht mehr bekannt zu sein.

Mit kleinsten Investitionen liesse sich das Lokpersonal für Einsätze über die eigenen Bereiche im Personen- und Güterverkehr wie auch bei verschiedenen Bahnen bewerkstelligen, was eine spürbare Flexibilisierung für Einsätze wie Eventverkehr und saisonalem Güterverkehr ermöglichen und nachhaltige Kosteneinsparungen generieren würde. 

Die Ausbildung wie auch die Personalplanung sind mit dem Lokpersonal zentral in einer Organisationseinheit zu bündeln; nach Möglichkeit über die Unternehmensgrenzen hinaus. So kann das Bahn-Knowhow wie auch die Qualität der Einsätze gefestigt und produktiv hergestellt werden. Leider wird diese Idee immer wieder verworfen, da sie nicht in die Strategie mit den neuen Strukturen z. B. mit WEP bei SBB Personenverkehr passt. 

Wenn weiterhin an den jetzigen Strukturen festgehalten wird, muss sich das Personal an der Basis überlegen, ob es an seine Prioritäten nicht auch festhalten will; vor allem, was seine Freizeit betrifft.

Die Motivation unserer Kolleginnen und Kollegen sinkt merklich, wie wir jeden Tag im Betrieb erleben. Schade um das Potential.

VSLF Nr. 605, 24. September 2019 US/HG