Lokführermangel in der Schweiz

An der Medienmitteilung der SBB vom 26. August 2020 wurde bekannt geben, dass der Lokführermangel und die verzögerte Ausbildung zu weiteren Angebotseinschränkungen führen wird. So werden zum Beispiel ein Teil der IR36 Basel-Zürich Flughafen, der Züge auf der alten Hauenstein-Strecke und dem Striegel und viele weitere Züge ausfallen. Dazu kommen die grossen Probleme beim Léman-Express. Dies wird empfindliche Einschränkungen für unsere Kunden auslösen.

Zitat aus einer Medienmitteilung des Kantons Aargau:

«Der Kanton Aargau fordert für die Zeit des eingeschränkten Fahrplans ein umfassendes Monitoring und allfällige Sofortmassnahmen, falls die Ersatzangebote nicht wie geplant funktionieren oder es zu Überlastungen in den Bahnersatzbussen kommt. Weiter erwartet der Kanton Aargau von der SBB, dass die Gründe für den Lokpersonalmangel aufgearbeitet und die entsprechenden Massnahmen ergriffen werden, damit es künftig nicht mehr zu Fahrplaneinschränkungen wegen Personalmangel kommt. Die von Kanton und Bund bestellten Leistungen sind künftig in vollem Umfang und in der bestellten Qualität zu erbringen.»

Der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) reagiert verärgert und ist besorgt über die Ausdünnung des Angebots. «So etwas hat es in der Geschichte der Zürcher S-Bahn noch nie gegeben», sagt ZVV-Sprecher Stefan Kaufmann.

Das Bundesamt für Verkehr hat sich ebenfalls zu Wort gemeldet und hält Fahrplan-Ausdünnung für nicht akzeptabel. Laut BAV werden vom Bund nicht erbrachte Leistungen im Regionalverkehr auch nicht bezahlt. Und mehr noch: Ihr Ersatzangebot müsse die SBB selber finanzieren.

Bei den Kantonen als Besteller kommt die Frage auf, ob es Haftungsansprüche gibt und sie Schadenersatz von der SBB verlangen können.

Vorgehen

Als erste Massnahme müssen die Ursachen, die zu diesem unakzeptablen Personalzustand geführt haben, eruiert und aufgearbeitet werden, um solche unternehmensschädigenden Entwicklungen zukünftig zu verhindern.

Zudem erwarten wir eine deutliche Verbesserung der Anstellungsbedingungen für den Beruf des Lokomotivführers. Die optimistischen Berechnungen der in Ausbildung stehenden Lokführer-Anwärter/innen sind nicht glaubwürdig und decken sich nicht mit den realistischen Zahlen der Abgänge von Anwärtern, welche die Ausbildung nicht abschliessen können oder wollen. Selbst im Idealfall werden die fertig ausgebildeten Lokführer/innen knapp die natürlichen Abgänge und die vorzeitigen Pensionierungen kompensieren, womit der Unterbestand lediglich stabil gehalten wird. Der zusätzliche Abbau der übervollen Zeitkonten ist ebenfalls nicht möglich.

Dies ist der Gesundheit der bestehenden Lokführer/innen und der Sicherheit für das Unternehmen nicht förderlich. Wenn gemäss Medienmitteilung der SBB über 8 % Lokführer/innen fehlen und gleichzeitig werktags über 2 % der Verbindungen gestrichen werden, dann zeigt dies die Mehrleistungen des restlichen Personals eindrücklich.

Leistungen während dem Corona Lockdown

Während dem Lockdown haben der Bund und die Allgemeinheit von den Bahnen erwartet, dass wir den Verkehr aufrechterhalten und dass die Züge fahren. Dies zu einem Zeitpunkt, als man noch sehr wenig über das Mass des Risikos einer Ansteckungsgefahr wusste, vor allem in Grenzgebieten.

Trotzdem hat das Lokpersonal seine Loyalität unter Beweis gestellt und die Eisenbahn am Laufen gehalten; zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Abteilungen, die ebenso unabdingbar waren für die Aufrechterhaltung des Betriebs und die sich nicht den Luxus von Homeoffice im sicheren Abstand der Gefahrenherde leisten konnten.

Die sich stets verändernde Lage verlangte eine enorme Flexibilität und Selbstständigkeit der Mitarbeiter und deren Familien, die allesamt in Eigenverantwortung getroffen wurden. Nicht einmal die Krankheitstage sind beim Lokpersonal angestiegen.

Dass in der gegenwärtigen Lage von der SBB Sparmassnahmen geprüft werden, ist verständlich. Aber Sparmassnahmen beim Lokpersonal, insbesondere für Lokführer/innen im Aufstieg, werden sich kontraproduktiv auswirken. Warum sollten wir weiterhin unsere Freizeit für die Aufrechterhaltung unseres Betriebs einsetzen, wenn es offensichtlich nicht geschätzt wird. Auch unsere Loyalität hat Grenzen.

Selbstverständlich helfen wir gerne mit bei Optimierungen. Wir haben in der Covid-Phase bewiesen, dass die Abteilung Zugführung und Rangier ZFR durchaus in der Lage ist, die Leistung trotz suboptimalen Rahmenbedingungen zu erbringen.

Für die Zukunft sind aber zwingend Anpassungen nötig, vor allem in den Bereichen Ausbildung und Rekrutierung. Wir haben diesbezüglich bereits Vorschläge eingebracht, um die Attraktivität des Lokführer-Berufs zu verbessern und gleichzeitig die Produktivität zu steigern und damit die Kosten zu senken.

Die Strategien müssen wieder langfristig angelegt werden, anstatt wie bis anhin kurzfristige Sparübungen durchzuführen, die sich negativ auf das Betriebsergebnis niederschlagen und die Problematik des Unterbestands zusätzlich verschärfen.

Lokführer Mangel bei SBB Cargo und BLS

Bei SBB Cargo ist finanzielle die Lage derart angespannt, dass der Einkauf von Lokführer-Leistungen von Dienstleistern massiv reduziert wird. Dies erhöht natürlich den Druck auf das eigene Lokpersonal entsprechend. So werden an Tagen mit Unterbestand keine Teilnahmen an Workshops, Sitzungen usw. für Lokführer mehr bewilligt. Ein weiterer Fall, wo einzig das Lokpersonal an üblichen Aufgaben in der Unternehmung ausgeschlossen ist. Wir erinnern an unsere Erschwernisliste-Lokführer im LocoFolio 2/2019.

Bei der BLS erwartet man von den Lokführenden weiterhin eine hohe Flexibilität. Um den Unterbestand in den Herbstmonaten auffangen zu können und keine Zugsausfälle zu generieren, wurden alle Lokführer der BLS, sowie Fachkader mit gültiger BAV-Lizenz und „Bürolokführer“ per Mail aufgefordert, sich in der Disposition zu melden und auf freie Tage zu verzichten.

Es ist dies bereits der zweite Aufruf durch die Leitung BZ in diesem Jahr. Der Grund für diese Situation liegt nicht nur bei den geburtenstarken Jahrgängen, die nun in Pension gehen, sondern auch in der seit Jahren verfehlten Personalpolitik der Leitung BZ. Während die leitenden Kader der Abteilung B ihre Ämter verlassen konnten, muss das Lokpersonal nun mit diesem Missstand zurechtkommen.

Von Bezug respektive dem Abbau von Mehrzeit und Überzeit kann derzeit beim Lokpersonal BLS nicht die Rede sein. So sind insgesamt wieder über 11‘000 Tage ausstehend (Ø ca. 15 Tage pro LF), die das Lokpersonal gerne einmal wieder in Form von Freizeit beziehen will.

Entspannung der prekären Personalsituation beim Lokpersonal BLS wird erst in einem Jahr erwartet, sofern nicht weitere unvorhergesehene Abgänge beim aktiven Lokpersonal zu verkraften sind.

SBB-Interne Schritte unabwendbar

Dass in Anbetracht der unhaltbaren Situation die Leistungen und Kundigkeiten der Lokführer bei der SBB an verschiedenen Standorten weiter aufgeteilt werden, lässt nicht nur fundierte Kenntnisse über die Produktivität von Einsatzplänen des Lokpersonals vermissen, sondern entspricht auch nicht mehr der Strategie unseres CEO, Vincent Ducrot, der das Potential eines polyvalent-einsetzbaren Lokpersonals erkannt hat um die Produktivität wieder auf ein akzeptables Niveau zu bringen. Solche lokalen Aktionen schaden diesem Ziel.

Mittelfristige Lösung

Das Lokpersonal muss zukünftig unter dem Dach einer Organisationseinheit ausgebildet, geführt, eingeteilt und eingesetzt werden. Eine Zusammenarbeit dieser Einheit mit anderen EVU’s verbilligt den öffentlichen Verkehr, erhöht die Produktivität und stabilisiert die Leistungserbringungen indem lokale und nationale Engpässe flexibel ausgeglichen werden können. Gleichzeitig erhöht sich die Attraktivität des Lokführer-Berufs, womit auch in Zukunft ausreichend fähiges Personal gefunden, und die Fluktuation verringert wird.

VSLF Nr. 648, 30. August 2020, HG/AD