Neue Situation bei den Sparmassnahmen SBB / SBB Cargo

Da sich die SBB und die Verhandlungsgemeinschaft der Personalverbände VG am 16. Dezember 2020 nicht auf die von der SBB gewünschten Sparmassnahmen einigen konnten, wurde von der SBB und SBB Cargo bereits am 15. Dezember 2020 vorsorglich das Schiedsgericht angerufen (siehe VSLF NL Nr. 654).

Die SBB veröffentlichte im Intranet ihre letzte Forderung an die VG. Darin wies der Leiter HR Markus Jordi darauf hin, dass es im Jahr 2021 zu einer Neuverhandlung des GAV kommen dürfte (möglich Kündigung GAV auf 30. April 2022) und die SBB bei einer allfällig notwendigen Senkung des Umwandlungssatzes durch die Pensionskasse SBB nicht in der Lage sein wird, diese für die Mitarbeitenden abzufedern.

Am 18. Dezember kommunizierte die Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV, dass ihre Delegierten der GAV-Konferenz die Forderung der SBB unter der Bedingung, den GAV um drei Jahre zu verlängern, vollumfänglich akzeptieren wird.

Der Kaderverband des öffentlichen Verkehrs KVöV und der Personalverband transfair haben sich dem Entscheid des SEV angeschlossen und die Forderung der SBB akzeptiert. In seiner Information vom 17. Dezember 2020 wies transfair darauf hin, dass er bereit ist auf 0,4% einmalige Leistungsanteile sowie 0,15% für schnellere Lohnanstiege in den unteren zwei Dritteln des Lohnspektrums zu verzichten.

Das von der SBB geforderte und von den SEV-Delegierten akzeptierte Paket umfasst:

  • Streichung der individuellen Lohnmassnahmen ILE von 0,9% der GAV-Lohnsumme der SBB für Mitarbeiter im Aufstieg mit Ausnahme von 0,3% für die Anforderungsniveaus A bis G
  • Verzicht auf die einmaligen Leistungsanteile ELA von 0,4%
  • Verzicht auf 0,15% der Lohnsumme für den schnelleren Aufstieg
  • Einmalige Dankesprämie von CHF 200.- für alle GAV-Mitarbeitenden
  • Verzicht auf die Streichung von Ferientagen
  • Verlängerung des GAV SBB um 3 Jahre (Bedingung SEV, transfair und KVöV)

Überlegungen des VSLF zu den aktuellen Forderungen

Das Topkader der SBB verzichtet einmalig auf ca. 2% ihres Gehalts, die Konzernleitung auf ca. 4%. Das mittlere Kader kann freiwillig auf einen Teil des Lohnes verzichten.

Während der Lohnverzicht beim Kader als einmalige Massnahme für das Jahr 2020 definiert wurde, belasten die Forderungen der SBB vor allem die Mitarbeiter im Aufstieg massiv; und dies nachhaltig bis in die Pension.

Die nachhaltigen und tiefgreifenden Einbussen für Mitarbeiter im Aufstieg stehen im krassen Gegensatz zum Commitment der SBB für eine gerechte und solidarische Verteilung der Lasten und Sparmassnahmen, da die Mitarbeiter am Maximum der Lohnbänder keine finanziellen oder materiellen Einbussen zu befürchten haben.

Die Gewährung einer ausserordentlichen Prämie von 200 CHF für alle GAV Mitarbeiter ist in Anbetracht der prekären finanziellen Lage nicht nachvollziehbar und eher als Lockangebot für die Akzeptanz der Forderungen einzuordnen.

Bereits im Verlauf der Verhandlungen hat die VG der SBB ein Angebot unterbreitet, welches eine kleinere Reduktion der ILE und eine moderate Einbusse bei der Arbeitszeit für die restlichen Mitarbeiter bedeutet hätte. Dieses Angebot entsprach in etwa der Wertigkeit des jetzigen Pakets.

Wir stellen grundsätzlich in Frage, ob ein Nichtgewähren des vereinbarten Aufstiegs mit nachhaltigen Folgen für die kommende Generation eine erfolgreiche Strategie für die Zukunft der SBB darstellt.

Die Sparmassnahmen wegen Covid-19 dürfen in keinem Zusammenhang mit den Massnahmen zur allgemeinen Effizienzsteigerung bei der SBB stehen.

Aus einer nachvollziehbaren Notwendigkeit für einmalige Gegenmassnahmen zu den Verlusten wegen Covid-19 wurde von der SBB ein Massnahmen-Katalog erstellt, worin viele Forderungen gemischt und voneinander abhängig gemacht wurden. Darin enthalten sind Covid-19-Massnahmen, Lohnsystemverhandlungen, GAV-Verhandlungen, Pensionierungsmodelle und Pensionskassen-Abfederungen.

Dieses Paket dürften in erster Linie junge Mitarbeitende durch ihren Verzicht auf zugesicherte Lohn-Aufstiege bezahlen. Diese fehlende Opfersymmetrie ist nicht nachvollziehbar. Zudem wirft die Akzeptanz sämtlicher Forderungen durch die anderen Sozialpartner Fragen auf, wenn lediglich die Verlängerung des GAV (ohne GAV SBB-Cargo) als einziger Gegenvorschlag genügt.

Der Vorstand des VSLF wird die neue Ausgangslage analysieren und bei Bedarf eigene Vorschläge einbringen. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass für Sparmassnahmen, welche alle Mitarbeiter gleichermassen solidarisch betreffen, Lösungen gefunden werden können.

Zudem klären wir die Notwendigkeit einer VSLF Delegiertenversammlung ab, sofern es zu keinem Schiedsgerichtsverfahren kommt.

VSLF Nr. 657, 24. Dezember 2020, ME/DR/RM/HG