Schiedsgericht SBB P / Bandbreiten Zeitkonten

Schiedsgericht stellt GAV-Verletzung der SBB im Bereich Arbeitszeiten beim Lokpersonal P fest

Das Schiedsgericht nach GAV, welches der VSLF nach gescheiterten Einigungsgesprächen 2008 angerufen hat, tagte am 28. Oktober 2010. Mit dem Richterspruch wurde definitiv festgestellt, dass die SBB mit einem Unterbestand an Lokomotivführer arbeitet.

Der schriftliche Richterentscheid stellt fest, dass die SBB dem Lokpersonal P zu viel Arbeit zugeteilt hat und der GAV somit verletzt wurde. Die ausserhalb der Bandbreiten nach GAV erarbeitete Zeit erachtet das Gericht als Überzeit und wird erstmals am 31.12.2010 in solche umgewandelt. Dieses Urteil gilt grundsätzlich für alle MA nach GAV SBB AG (P+I).

Ausgangslage
Die SBB haben bei einer Jahresarbeitszeit von 2050 Std. (=41 Std. Woche) die Bandbreite der Arbeitszeitkonten von +150 Std. unterjährig und +75 Std. beim Jahreswechsel seit Jahren verletzt, obwohl 2007 die Wochenarbeitszeit bei den SBB von 40 auf 41 Std. erhöht wurde, was eine sofortige Entlastung von 2,5% bedeutete.
Anfangs Jahr hatten von 2'300 Lokführern bei SBB Personenverkehr über 330 Lokführer mehr als 150 Stunden, und gut 670 Lokführer über 75 Stunden auf ihren Zeitkonten. Im Durchschnitt haben im Jahr 2009 alle der 2'300 Lokführer weit über 150 Stunden auf ihren Zeitkonten gehabt.
Die SBB hat sich an Einigungsgesprächen im Jahr 2008 nicht dazu bereit erklärt, Zeitguthaben über den im GAV vorgesehenen Grenzen als Überzeit nach OR 321 anzuerkennen. Der Personalmangel beim Lokpersonal wurde damals von den SBB grundsätzlich nicht anerkannt; in den Pressemitteilungen der SBB las man sogar mehrfach von einem kleinen Überbestand des Lokpersonals.

Schiedsgericht
Der VSLF hat 2009 das Schiedsgericht aufgerufen, um neutral beurteilen zu lassen, ob ein Personalmangel beim Lokpersonal SBB Personenverkehr besteht; ob der GAV durch die SBB durch Überschreiten der Grenzen bei den Zeitkonten verletzt wurde und wie diese Zeit über den Grenzwerten zu betrachten ist. Der SEV hat sich der Klage des VSLF angeschlossen.

Unsere Begehren an das Schiedsgericht waren:

  1. festzustellen, ob die Beklagte (SBB) die Grenzwerte gemäss Art. 66 Abs. 1 GAV SBB nicht einhält.
  2. festzustellen, ob die ende Jahr über den Grenzwert von 75 Stunden gem. Art. 66 Abs. 1 GAV geäufneten Stunden Überstunden im Sinne von Art. 321 c Abs. 3 OR sind.
  3. festzustellen, ob die Beklagte die Jahressollstunden gemäss Art. 50 GAV SBB nicht respektiert.
  4. dass die Beklagte (SBB) zu verpflichten sei, die diesbezüglichen gesamtarbeits- vertraglichen Bestimmungen unverzüglich einzuhalten.
  5. in Anwendung von Art. 11 Abs. 2 lit. a GAV die Beklagte (SBB) zu verwarnen sei.
  6. Dass die Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Beklagten (SBB) gehe.

Die SBB argumentierte vor Gericht, dass die hohen Zeitkonten des Lokpersonals schon seit Jahren bestehen (schon vor 2005) und somit nicht als ausserordentliche Situation zu betrachten sei. Auch habe das Lokpersonal an der Ansammlung der hohen Zeitkonten eine Mitverantwortung, da es laut Gesetz für die Führung der Zeitkonten mitverantwortlich sei. Durch die Einstellung von Lokführerklassen und der Ausbezahlung von Arbeitszeit zu 100% habe die SBB grosse Aufwendungen betrieben, um dem Überbestand entgegen zu wirken. Weiter führte die SBB aus, dass – analog zu den Bundesbeamten – die Lokführer eine „Eichhörnchen-Mentalität“ hätten und Arbeitszeit wie Nüsse sammeln, anstatt diese Zeit in Freizeit zu beziehen. Die SBB habe Abbaubänder eingerichtet und den Bezug von Freitagen angeboten, was vom Lokpersonal aber nicht oder nur widerwillig genutzt wurde.

Die Argumentation der SBB befremdet. Es wurde versucht den Eindruck zu erwecken, dass wir Lokführer an der Ansammlung von Arbeitszeit selber schuld seien und die Klage des VSLF angesichts der Bemühungen von Seiten SBB ungerechtfertigt und nicht im sozialpartnerschaftlichen Sinne sei.
Eine solche Betrachtung der Situation durch die SBB gegenüber dem Lokpersonal – welches durch die Mehrleistungen an Freitagen über Jahre den Betrieb aufrecht gehalten hat – zeugt leider nicht von einer zeitgemässen, nachhaltig intelligenten Personalführung.

Schiedsspruch
Das Schiedsgericht GAV SBB Bandbreiten Arbeitszeitkonten / 41-Stundenwoche hat entschieden:

  1. Es wird festgestellt, dass die SBB die Grenzwerte gemäss Ziffer 66 Absatz 1 GAV nicht einhält.
  2. Es wird festgestellt, dass die Ende Jahr über den Grenzwert von 75 Stunden gemäss Ziffer 66 Absatz 1 GAV hinaus geäufneten Stunden in subsidiärer Anwendung von Artikel 321c OR Überstunden sind.
  3. Es wird festgestellt, dass die Jahrs-Soll-Arbeitszeit gemäss Artikel 50 GAV teilweise nicht eingehalten wird.
  4. Die SBB wird verpflichtet, die genannten Bestimmungen des GAV einzuhalten.
  5. Es wird festgestellt, dass die Mitarbeitenden für die Handhabung ihrer Zeitkonti mitverantwortlich sind und dass die SBB, wenn sie diese Mitverantwortung nicht wahrnehmen, berechtigt ist, den Ausgleich von Überstunden durch Freizeit anzuordnen, wobei der Zeitpunkt des Ausgleichs mit dem einzelnen Arbeitnehmer bzw. der einzelnen Arbeitnehmerin zu vereinbaren ist.

6. Die Kosten des Verfahrens, insgesamt Fr. 9'041.10 ausmachend, werden im Umfang von Fr. 6'780.85 der SBB und im Umfang von Fr. 2'260.25 dem VSLF/SEV auferlegt.
7. Die Parteikosten des VSLF/SEV belaufen sich auf insgesamt Fr. 12'372.75. Die SBB 8. hat sie ihnen in der Höhe von Fr. 9'279.55 zu ersetzten.

Der Schiedsspruch des Schiedsgerichts mit der Begründung des Entscheids kann beim VSLF bezogen werden: schiedsgericht@vslf.com

VSLF Nr. 300, 3. November 2010 HG

Pressecommuniqué Verband Schweizer Lokomotivführer und Anwärter VSLF

Schiedsgericht stellt GAV-Verletzung der SBB im Bereich Arbeitszeiten beim Lokpersonal fest

Das Schiedsgericht nach GAV, welches der VSLF nach gescheiterten Verhandlungen 2008 angerufen hat, stellte fest, dass die SBB dem Lokpersonal bewusst zu viel Arbeit zugeteilt hat und somit den GAV verletzte.

Dieses Urteil wird auch auf die laufenden GAV-Verhandlungen mit der SBB Einfluss haben.
Weiter ist das Schiedsgericht ist der Argumentation des VSLF gefolgt, dass die ausserhalb des GAV geleistete Mehrarbeitszeit als Überzeit nach OR zu betrachten sind.

Die Lokomotivführer sind weiterhin bereit, den Mehrverkehr der SBB zu fahren und fordern, dass die Anstellung von neuen Lokomotivführer-Anwärtern erhöht und die Ausbildungszeit verlängert wird, um die Sicherheit im Bahnbetrieb zu gewährleisten.

Die SBB hat bei 2050 Std. Jahresarbeitszeit (41 Std. Woche) die Bandbreite der Arbeitszeitkonten von + 150 Std. unter dem Jahr und + 75 Std. beim Jahreswechsel seit Jahren verletzt.
Von 2'300 Lokführer bei SBB Personenverkehr haben Anfang Jahr über 330 Lokführer mehr als + 150 Std. auf dem Arbeitszeitkonto und mehr als 670 Lokführer über + 75 Std. beim Jahreswechsel auf ihrem Zeitkonto. Im Durchschnitt haben im Jahr 2009 alle 2'300 Lokführer weit über + 150 Std. auf ihren Zeitkonten gehabt.

Die SBB hat sich an Einigungsgesprächen im Jahr 2008 nicht bereiterklärt, Zeitguthaben über den im GAV vorgesehenen Grenzen als Überzeit nach OR 321 anzuerkennen. Grundsätzlich wurde der Personalmangel beim Lokpersonal durch die SBB nicht anerkannt.

Der VSLF hat 2009 das Schiedsgericht aufgerufen, um die Fragen beurteilen zu lassen, ob ein Personalmangel beim Lokpersonal SBB Personenverkehr besteht, ob der GAV durch die SBB mit dem Überschreiten der Grenzen bei den Zeitkonten verletzt wurde und wie diese Zeit über den Grenzwerten zu entschädigen ist.

Das Schiedsgericht hat nun am 29. Oktober 2010 festgestellt, dass dem Lokomotivpersonal seit Jahren zu viel Arbeit zugeteilt wurde.
Das Lokpersonal arbeitet im sicherheitsrelevanten Bereich der Eisenbahnen und die SBB hat keine besonderen Anstrengungen unternommen, um die Arbeitszeit im vorgesehenen Rahmen zu halten und die notwendige Erholungszeit zu garantieren.

In Anbetracht der dauernd steigenden Zugsleistungen bei der SBB sind die Lokomotivführer bereit, bis zur Einstellung einer genügenden Anzahl von qualifizierten Lokomotivführer-Anwärtern die Mehrarbeit weiterhin zu erbringen. Wir erwarten von der SBB jedoch eine Ausbildungsoffensive und die Verlängerung und Professionalisierung der Ausbildung im Interesse der Sicherheit im Bahnbetrieb.

In den nächsten 10 Jahren ist bei der SBB Personenverkehr eine Fluktuation der Lokomotivführer aufgrund von Pensionierungen von ca. 1/3 des Personalbestands zu erwarten; Mehrverkehrsleistungen nicht eingerechnet (Bahn 2030).

Im VSLF sind rund 1’100 Lokomotivführer bei der SBB organisiert.

Weiter Informationen:
Hubert Giger, Präsident VSLF: 051/281 26 96

www.vslf.com
3. November 2010


Prüfen der Sicherheitseinrichtungen

10vor10 Beitrag zur Prüfung der Sicherheitseinrichtungen bei SBB P

Sendung 10 vor 10 vom Donnerstag, 16. Sept. 2010:
www.videoportal.sf.tv/video
Interview mit Rinaldo Zobele (LPV) und Hubert Giger (VSLF)

Sendung 10 vor 10 vom Freitag, 17. Spet. 2010:
www.videoportal.sf.tv/video
Interview mit Andreas Rufener (SBB P-OP-RSQ), Hugo Wyler (Sprecher BLS) und Max Binder (Präsident parlamentarische Verkehrskommission NR)


Konzept RV SBB P-OP-ZF

Neue Berufsbilder Lokpersonal infolge neuem Konzept Regionalverkehr RV bei SBB P-OP-ZF

Bereits im Februar 2009 wurden in Basel Lokführer nach nicht vereinbarten Richtlinien – Ausbildung nur im Regionalverkehr – ausgebildet, entgegen Vision 2010.

Nach der Kündigung der Vision 2010 durch den VSLF wurde an den „Retraite“-Treffen durch die SBB beschlossen, dass zukünftig alle Lokführer auf das jeweilige Depotprofil ausgebildet werden; dies beinhaltet alle Fahrzeuge und Strecken des jeweiligen Depots ohne Spezialfahrzeuge. 

Am 4. Januar 2010 präsentierte ZF ein neues Konzept RV, worin auch an Standorten mit Fernverkehr einzig Regionallokführer ausgebildet werden. Als Begründung wurden ändernde äussere Einflüsse angegeben.

Am 24. Februar 2010 präsentierte ZF wiederum ein neues Konzept RV, welches allerdings noch der Konzernleitung SBB zur Genehmigung vorgelegt werden muss. Es beinhaltet neu drei Kategorien von Lokführern: 
-    ca. 1'000 Regionallokführer
-    ca. 1'000 Lokführer Regional- und Fernverkehr
-    ca. 500 zeitlich und örtlich ultraflexible Ubv-Lokführer

Der VSLF muss aufgrund der ständigen Konzeptwechsel im Monatstakt und Wortbrüche von ZF davon ausgehen, dass im Bereich ZF entweder nachhaltige Strategien fehlen, oder aber es von Anfang an so geplant war. 

Natürlich geht es um Geld. Der Regionallokführer soll weniger verdienen als der Fernverkehr- oder der Ubv-Lokführer, da der Regionalverkehr nicht die gleichen Einnahmen beschert wie der Fernverkehr. Diesem Gedanken von ZF liegen gleich zwei Irrtümer zugrunde: 
Erstens: Der Lohn eines Mitarbeiters generiert sich laut GAV aus seiner Arbeit, und nicht aus der Wertschöpfung einer Filiale. Ansonsten müsste diese Rahmenbedingung im neuen Lohnsystem ToCo bei jedem Mitarbeiter der SBB einfliessen, was zu absurden Lohnunterschieden innerhalb der SBB führen würde.
Zweitens: Während der Verhandlungen Vision 2010 vor 5 Jahren wurde auch von den SBB korrekt festgestellt, dass die Anforderungen eines Regionallokführers mindestens so hoch sind wie die eines Fernverkehrlokführers. Ein tieferer Lohn aufgrund der Halte pro Streckeneinheit ist absolut unplausibel. 

Das am 24. Februar 2010 präsentierte neue Konzept ZF beinhaltet eine weitere finanzielle Zeitbombe: Dank der verkürzten Ausbildung in Nebendepots mit weniger Strecken- und Fahrzeugkenntnissen können die Ausbildungskosten zwar kurzfristig gesenkt werden, aber bereits mittelfristig steigen die Folgekosten um ein Vielfaches, weil für eine marktfähige SBB der flexible Einsatz von Lokführern unabdingbar ist. Die Folgekosten für die Zusatzausbildungen bei mittlerweile höherem Lohn inklusive Regionalzuschläge übersteigen die kurzfristigen Einsparungen um ein Vielfaches, und die Einsatzplanung wird durch die zusätzliche Spezialisierung der Lokführer weiter erschwert und verteuert, sowie die Ferienplanung durch eine weitere Splittung der Ressourcen massiv verschärft. Zudem ist es unlogisch, dass ausgerechnet die Altersgruppe in der unflexibelsten Lebenssituation die örtlich und zeitlich flexibelste Arbeit leisten soll.

Der VSLF hat den SBB vorgerechnet, dass z.B. ein Lf-Anwärter in Brugg für seine Ausbildung 205,5 Tage benötigt, wobei für die Fernverkehrsausbildung max. 24,5 Tage benötigt werden. Dies sind 12% der Ausbildung. 12% im Ausbildungslohn. Zu bemerken ist, dass die 24,5 Tage Fernverkehrsausbildung rund 33% der viel zu kurzen Fahrpraxis entsprechen. 

Es ist schlichtweg unverständlich, dass solche kurzsichtigen Strategien vom ZF bis zur Marktunfähigkeit produziert werden. Umso mehr, da in den nächsten 10 Jahren ein Bedarf von 1’000 neuen Lokführern besteht. Sollte die Attraktivität des Berufes weiterhin so fahrlässig behandelt werden, wird die Fluktuation enorm zunehmen und es werden weit mehr als 1’000 sein.

Der VSLF wird der Konzernleitung SBB und der Leitung SBB P ein umfassender Argumentationskatalog vorlegen.

VSLF Nr. 255,  5. März 2010 HG/SG

Entscheide der SBB im Projekt Wandel ZF SBB P

Der Lenkungsausschuss der SBB Personenverkehr hat heute zu vier Bereichen Entscheidungen getroffen.

Optimierte Leistungsverteilung
Die aus dem Projekt erarbeitete Variante 2, welche die Erstellung einer Schattenplanung vorsieht, wurde angenommen und wird im Projekt weiter verfolgt.

Die von der SBB ZF vorgeschlagene Variante 1 mit der Beschränkung von FV Leistungen und Rayons in diversen Depot’s auf den FPW 2012 wurde vom Lenkungsausschuss auf Grund der Interventionen der Sozialpartner nicht umgesetzt.

Medizinische Untersuchung
Die Möglichkeit der medizinischen Untersuchungen auch ausserhalb des SBB Medical Services während einer Tour ohne Fahrleistung wird von SBB ZF weiterverfolgt.

Die Sozialpartner stehen der Stossrichtung dieses Entscheids positiv gegenüber.

Einsatz an mehreren Depotstandorten
Die Möglichkeit von längerfristigen Einsätzen an zwei Standorten mit zwei Arbeitsverträgen wird von der SBB weiterhin umgesetzt. Die Personalverbände haben die SBB auf diverse offene Punkte in den Bereichen Sozialversicherungen und AZG-Regelungen aufmerksam gemacht. Die SBB hat dies zur Kenntnis genommen und überprüft unsere Einwände.

Einsatz in auswärtigen Depotstandorten
Die bisherigen Regelungen für kurzfristige Einsätze werden beibehalten. Varianten für eine den Aufwendungen entsprechende Entschädigung wurde verworfen.

Die Sozialpartner stehen den Einsatzen an mehreren Depotstandorten grundsätzlich kritisch gegenüber.

Ausbildung
An Depotstandorten mit Fernverkehrsleistungen werden die Auszubildenden auf das bestehende Depotprofil ausgebildet. Wann und wo nachgeschult wird, werden die SBB kommunizieren. Die Sozialpartner begrüssen diesen Entscheid.

Auf Grund der heutigen Entscheide der SBB wird die Verhandlungsgemeinschaft die Projekte im Fachausschuss weiterhin kritisch begleiten.

Rinaldo Zobele LPV / SEV
Christoph Furrer transfair
Hubert Giger VSLF

VSLF Nr. 321, 8. Juli 2011 HG